Diese einfache Weisheit, Gutachten nicht ungeprüft zu eigen zu machen, hat der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Prof. Dr. Stefan Heilmann, bereits 2015 im Spiegel im Artikel „Fragwürdige Instrumente“ von Amann und Neukirch zum Besten gegeben:
„Richter dürfen sich Gutachten nicht ungeprüft zu eigen machen“, sagt Stefan Heimann, Familienrichter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main. „Der Gesetzgeber setzt großes Vertrauen in ihre Urteilskraft, wenn es um die Qualität von Expertisen geht.“
Heilmann in Amann und Neukirch, „Fragwürdige Instrumente“ in Der Spiegel, 2/2015
Richter folgen ihren Gutachtern zu unkritisch
Doch trotzdem kommt es viel zu oft vor, dass Richter „ihren“ Gutachten unkritisch folgen.:
Bereits in den Achtzigerjahren ergab eine Umfrage der Universität Freiburg, dass Familienrichter den Empfehlungen ihrer Sachverständigen meistens einfach folgen. Diesen Trend dürfte ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1999 verstärkt haben. Damals schrieb Karlsruhe den Familienrichtern vor, sie dürften von fachpsychologischen Gutachten nur mit einer eingehenden Begründung und dem „Nachweis eigener Sachkunde“ abweichen.
Amann und Neukirch, „Fragwürdige Instrumente“ in Der Spiegel, 2/2015
Gerade diese Sachkunde fehlt jedoch oft, deshalb weichen viele Richter vorsichtshalber gar nicht erst ab.
Maßgeblich hat sich das OLG Schleswig mit einigen der Fragen der Prüfung im Gutachten auseinandergesetzt:
Auch wenn diese Empfehlungen keine Kriterien im Sinne rechtlich verbindlicher Mindeststandards darstellen, so dienen sie doch der Konkretisierung der in § 163 Abs. 1 FamFG formulierten Anforderungen an die in Kindschaftssachen zu bestellenden Sachverständigen und die zu erstattenden Gutachten und sind nach Auffassung des Senates im Rahmen der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens zu berücksichtigen, da sie eine Arbeitsgrundlage darstellen, die von den beteiligten Experten unter Einbeziehung juristischer und psychologischer Aspekte in Kenntnis der bestehenden Situation im Gutachterwesen erarbeitet wurden.
OLG Schleswig 13 UF 4/20, Rn. 184
Hiernach sind die Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten in Kindschaftssachen faktisch verbindlich.
Qualifikation des Gutachters aktiv prüfen
Die Qualifikation des Gutachters ist aktiv zu prüfen, insbesondere ob dieser den Anforderungen an einen Gutachter genügt:
Aufgrund der Vielfältigkeit und Anforderungen, nicht zuletzt auch aufgrund der möglichen weitreichenden Bedeutung der Empfehlungen der Sachverständigen im gerichtlichen Verfahren, ist eine besondere Sachkunde notwendig, die auch weit über übliche Studieninhalte der Psychologie und Medizin hinausreicht. Deshalb sind zusätzliche, nachgewiesene, forensische Kenntnisse und Erfahrungen der Sachverständigen notwendig.
OLG Schleswig 13 UF 4/20, Rn. 191
Vorallem müssen auch Rechtskenntnisse vorliegen, die für die Begutachtung relevant sind:
Kenntnisse des Verfahrensrechts und des materiellen Rechts sind unabdingbar und erfordern eine laufende Fortbildung der Sachverständigen. Zudem müssen sie kontinuierlich über gerichtliche Entscheidungen bzw. gesetzliche Entwicklungen informiert sein, die ihre Tätigkeit berühren.
OLG Schleswig 13 UF 4/20, Rn. 194
Richterliche Prüfungsaufgabe!
All das zu prüfen wäre richterliche Aufgabe. Hierauf sollte man sich nicht verlassen, stattdessen sollte man diese Prüfung aktiv einfordern und das Unterlassen kritisieren.
Dies gilt vorallem auch, sollte nicht aktiv über den Untersuchungsplan und die Fragestellungen vorab durch den Gutachter angemessen aufgeklärt worden sein (vgl. OLG Schleswig 13 UF 4/20, Rn. 272) oder das Gutachten nicht wissenschaftlich und transparent sein:
Das Gebot des wissenschaftlich fundierten Vorgehens, der Transparenz und der Nachvollziehbarkeit ist zu beachten.
OLG Schleswig 13 UF 4/20, Rn. 276
Insoweit dürfen sich das Gericht, aber auch die Anwälte und Parteien, ein solches Gutachten nicht ungeprüft zu eigen machen.
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