Die Interaktionsbeobachtung ist ein zentraler Aspekt des familienpsychologischen Gutachtens, weshalb diese zu prüfen zu den zentralen Momenten der Rechtsvertretung gehört. Die Vorteile, Nachteile und deren Beitrag zur Gutachtenerstellung ist wesentlicher Anteil eines solchen zu prüfenden Gutachtens. Wir können auch in diesem Teilaspekt helfen.
- 1. Einleitung: Die Bedeutung der Interaktionsbeobachtung im familienrechtspsychologischen Kontext
- 2. Vorteile der Interaktionsbeobachtung
- Besondere Bedeutung für kleine Kinder
- 3. Nachteile und Grenzen der Interaktionsbeobachtung
- Schwierigkeiten in Bezug auf Neutralität und Verlässlichkeit
- Delegierung von Aufgaben:
- Zeitaufwand und finanzielle Aspekte
- 4. Vor- und Nachteile der Interaktion in der Übersicht
- 5. Welche Informationen werden erhoben
- 6. Schlüsse auf Beziehungsmerkmale und dyadische Beziehungen
- 7. Triangulation von Datenquellen
- 8. Fazit und Empfehlungen
- Fußnoten
- Referenzen und Literatur
1. Einleitung: Die Bedeutung der Interaktionsbeobachtung im familienrechtspsychologischen Kontext
Die Beobachtung von Interaktionssituation stellt einen bedeutenden Bestandteil der diagnostischen Verfahren im Bereich der familienrechtlichen Psychologie dar. Sie geht über die bloße Beschreibung von Verhalten hinaus und zielt darauf ab,die sich entwickelndenden Prozesse und Beziehungsmerkmale zwischen Familienmitgliedern zu erfassen und zu analysieren – besonders zwischen Eltern und ihren Kindern. Dieses diagnostische Werkzeug hat nicht nur Bedeutung für die Entwicklungspsychologie und klinische Psychologie; es wird gezielt von RechtspsychologInnen verwendet um die komplexeren Interaktion zwischen Eltern und Kindern bei gerichtlichen Verfahren zu bewerten.
Die Methode der Familiendiagnostik ist schon seit den 1980er Jahren fester Bestandteil der Praxis auf diesem Gebiet. Ihre Bedeutung liegt darin begründet, dass die menschliche Persönlichkeit und Entwicklung entscheidend durch soziale Beziehungen geprägt werden. Deshalb ist es unerlässlich, diese prägenden Beziehungen direkt zu beobachten, um das Wachstum und Wohlergehen des Kindes im Kontext familiärer Konflikte zu verstehen. Dies geht über reine Datensammlung hinaus und reflektiert eine theoriegestützte Notwendigkeit mit direktem Bezug zur Entwick-lungs- und Bindungspsychologie.
Die Beurteilung der Interaktion ist ein wichtiger Teil eines umfangreichen familienpsychologischen Gutachtens und wird durch andere diagnostische Schritte wie detaillierte Gespräche mit Eltern und Kindern sowie psychodiagnostische Tests ergänzt, um das Wohl des Kindes zu gewährleisten.Die Informationen aus der Interaktionsanalyse sind entscheidend für die Bewertung des Kindeswohls, der Erziehungsfähigkeit und der Bindungen und tragen wesentlich zur Klärung der gerichtlichen Fragestellung bei.
Ein Gutachten wird als methodisch unzureichend oder fehlerhaft betrachtet,wenn es an einer Interaktionsbeurteilung mangelt oder diese unzureichend durchgeführt wurde. In einem solchen Fall kann es bestenfalls als schriftliche Stellungnahme angesehen werden und nicht als vollständiges Gutachten. Dies betont die zentrale Bedeutung der Interaktionsbeurteilung als grundlegende Säule für die Validität von familiengerichtlichen psychologischen Begutachtungen. Unterlassen dieser Beurteilung kann nicht nur die wissenschaftliche Fundierung des Gutachtens beeinträchtigen, sondern auch bedeutende ethische Implikation haben ,da gerichtliche Entscheidungen ,die auf unzureichenden oder fehlerhaften Grundlagen beruhen, das Wohl des Kindes potentiell gefährden können.
2. Vorteile der Interaktionsbeobachtung
Die Beobachtung von Interaktionen bietet zahlreiche wichtige Vorteile und macht sie zu einem unerlässlichen Instrument bei der psychologischen Begleitung im Familienrecht.
Ein bedeutender Vorteil besteht darin zu erkennen und zu verstehen wie die Dynamik innerhalb einer Familie wirklich ist. Direkte Beobachtungen liefern wertvolle Einblicke und Informationen über die Qualität der Beziehung zwischen Eltern und Kindern sowie das konkrete Erziehungsverhalten. Diese Methode ermöglicht es sowohl geplante bewusste Interaktion als auch unbewusste Einflüsse und Verhaltensmuster sichtbar zu machen – einschließlich des Unterlassens von Interaktion oder Konfliktpunkten und der Fähigkeit zur Wiederherstellung der Kommunikation. Fehler können direkt erkannt werden. Dies ist von großer Bedeutung,denn durch die direkte Beobachtung kann aufgedeckt werden,dass das Verhalten von Eltern möglicherweise nicht mit ihren Erziehungsansichten übereinstimmt. Diese direkte Beobachtung trägt zur Glaubhaftigkeit der Gutachtenergebnisse bei, schließlich basieren sie auf beobachtetem Verhalten in der Realität und nicht nur auf subjektiven Berichten.
Besondere Bedeutung für kleine Kinder
Die Beobachtung des Verhaltens ist besonders wertvoll bei sehr jungen Kindern oder Kindern mit begrenztem Wortschatz. Kleinkinder und kleine Kinder können oft nicht vollständig darüber sprechen wie es ihnen geht oder wie sie sich entwickeln im Vergleich zu anderen Personen. Durch die Beobachtung können nonverbale Form der Kommunikation wie Gesichtsausdrücke Gestik Körpersprache und Geräusche genutzt werden um Einblicke in die innere Welt und Bedürfnisse des Kindes zu gewinnen wenn die verbale Kommunikation begrenzt ist. Dies ist besonders wichtig bei Situationen, wo das Kind nicht direkt befragt werden kann aufgrund von Alter, Krankheit oder Einschränkung. Die Methode umgeht die “Sprachfalle“ und erlaubt ein tieferes Verständnis der kindlichen Perspektive auf einer nicht-verbal en Ebene sowie eine umfangreichere Bewertung des Wohlergehens des Kindes.
Die Beobachtung des Interaktionsverhaltens ergänzt die Informationen aus Gesprächen auf entscheidende Weise und kann subjektive Berichte objektivieren und plausibilisieren.1
Während Gespräche wichtige Einblicke liefern können, ermöglicht die Beobachtung die Aufdeckung von Diskrepanzen zwischen Wort und Tat. Eltern neigen dazu, sich in Gesprächen positiv darzustellen oder bestimmte Aspekte ihrer Interaktion zu idealisieren.
Die direkte Beobachtung liefert hingegen Verhaltensdatenerhebungen mit geringerer Anfälligkeit für bewusste oder unbewusste Verzerrungen seitens der Beteiligten. Sie ist eine entscheidende Informationsquelle neben Gesprächen mit Betroffenengruppen und Analyse von Dokumentation sowie unterstützt die erforderliche Verknüpfung von Informationen zur Erstellung eines vollständigen und konsistentenen Bildes der familiären Situation2.
3. Nachteile und Grenzen der Interaktionsbeobachtung
Ein bedeutender Nachteil ist der so genannte “Beobachtereffekts” oder Reaktivität: Das Verhalten der befragten Personen kann sich verändern und angepasst sein beim Wissen um die Beobachtung. Die Anwesenheit des Beobachters oder die Inszenierung einer definierten Situation während einer Bewertungssitzung (z.B. Spiele wie Brettspiele oder Malübungen3) könnte das normale Verhalten verfälschen und zu einer “unnatürlichen” Überwachungssituation führen.
Dies könnte einen Einfluss auf die Gültigkeit der Ergebnisse haben, da das gezeigte Verhalten unter Umständen nicht repräsentativ für den alltäglichen familiären Ablauf ist. Deshalb soll der Gutachter bei der Interaktion auch nicht anwesend sein, sondern diese „nur“ videographieren und diese Videos dann bewerten4. Gleichwohl wird dies aus Bequemlichkeits- und Kostenaspekten oft falsch gemacht.
Das Dilemma besteht darin ,dass die Steigerung der wissenschaftlichen Bewertungsstandards wie Objektivität und Zuverlässigkeit paradoxerweise die Bedeutung der Observation für ein natürliches Verhalten reduziert. Ein Sachverständiger muss die gegensätzlichen Interessen berücksichtigen und sie bei der Auslegung der Resultate einbeziehen.
Schwierigkeiten in Bezug auf Neutralität und Verlässlichkeit
Die Qualität der Beobachtung von Verhalten häng stark von ihrer Strukturierung ab. Unstrukturierte Beobachtungen des Verhaltens im Alltag (z.B. nur zu Hause) können an Objektivität und Zuverlässigkeit mangeln. Deshalb sind auch in der Regel mindestens zwei Interaktionen durchzuführen5. Wenn die Interaktion auffällig ist, müssen ggf. mehrere weitere Interaktionen erfolgen6.
Obwohl die Validität bei der Interaktion besser argumentiert werden kann, sind die Qualitätskriterien insgesamt schwächer.
Durch systematische Beobachtung wird das Verhalten aufgezeichnet und gemäß einem vorher festgelegten Beobachtungsschema analysiert, was die Objektivität und Zuverlässigkeit erhöht. Dennoch bleibt das Problem der „künstlichen“ Situation bestehen, was die Validität beeinträchtigt.
Eine große Auswahl an Ausdrücken für dyadisches Verhalten (ungefähr 450 verschiedene Ausdrücke) unterstreicht auch die Komplexität der Kodierung und die Schwierigkeit sicherzustellen, dass eine standardisierte und objektiv vergleichbare Beobachtung durchgeführt wird.
Delegierung von Aufgaben:
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Übertragung von Aufgaben auf andere Personen. Kritische Schritte wie Explorationen oder Beobachtungen von Interaktion dürfen generell nicht an Mitarbeiter übertragen werden, sollten stattdessen persönlich durch den vom Gericht bestellten Sachverständigen ausgeführt werden7. Eine solche Übertragung ist normalerweise unzulässig und führt zu Schwächen in der Methodik des Gutachtens und damit zur Unverwertbarkeit.
Zeitaufwand und finanzielle Aspekte
Zeitaufwand und finanzielle Aspekte spielen eine wichtige Rolle bei der Erstellung eines umfangreichen familienpsychologischen Gutachtens mit Interaktionsbeobachtungen. Eine solche Gutachten benötigen normalerweise zwischen 4 und 8 Monaten und können mehrere tausend Euro kosten. Dies stellt für die betroffen Familien eine erhebliche finanzielle Belastung dar und kann den Zugang zur Begutachtung erschweren. Deshalb wird auch oft von Videographierung (und damit Nachweisbarkeit und Transparenz) abgesehen. Aus denselben Argumenten verzichtet man oft auf weitere Termine.
4. Vor- und Nachteile der Interaktion in der Übersicht
Vorteile der Interaktionsbeobachtung | Nachteile und Limitationen der Interaktionsbeobachtung |
Direkte Erfassung von Familiendynamiken und Beziehungsmerkmalen | Künstlichkeit der Beobachtungssituation |
Sichtbarmachen unbewusster Einflüsse und Verhaltensmuster | Reaktivität der Beobachteten (Beobachtereffekt) |
Besonders relevant bei jungen Kindern mit geringem Wortschatz | Herausforderungen bei Objektivität und Reliabilität (insbesondere unsystematisch) |
Erfassung nonverbaler Kommunikation (Mimik, Gestik, Augenkontakt) | Begrenzte Aussagekraft über innere Zustände (Motive, Kognitionen) |
Ergänzung und Plausibilisierung verbaler Informationen | Fehlende historische oder umfassende kontextuelle Informationen |
Überprüfung von Diskrepanzen zwischen Gesagtem und Gezeigtem | Freiwilligkeit der Teilnahme kann Datenlage einschränken |
Ermöglicht Schlussfolgerungen auf theoretische Beziehungsmerkmale (z.B. Mentalisierung, Entwicklungsadäquanz) | Unzulässige Delegation an Mitarbeiter mindert Qualität |
Trägt zur Triangulation der Informationen bei | Hoher Zeit- und Kostenaufwand |
5. Welche Informationen werden erhoben
Die Interaktionsbeobachtung ist ein hochstrukturiertes Verfahren, das darauf abzielt, spezifische Verhaltensmerkmale und Interaktionsmuster zu erfassen, um daraus fundierte psychologische Schlüsse zu ziehen.
Nach Dr. Andre Jacob (20228) werden neun sichtbare Merkmale oder Indikatoren bei der Interaktionsbeobachtung von Eltern und Kind vorgeschlagen, die für die Beurteilung von Kindeswohlgefährdung, Sorgerecht oder Umgangsrecht relevant sind. Diese Kriterien ermöglichen eine strukturierte und objektive Verhaltensbeschreibung. Sie sind besonders wertvoll bei sehr jungen Kindern, die ihre psychische Befindlichkeit oder ihren Entwicklungsstand nicht umfassend verbalisieren können:
- Vitalität / Lebenskraft und -freude
- Spiel
- Ausrichtung von Interesse und Aufmerksamkeit
- Augenkontakt
- Lautsignale
- Körpersprache; -gestik
- Reaktivität
- Verhalten bei situationsabhängigen Übergängen
- Affekte / Gefühlsregungen
Aufgabe der Prüfung eines Gutachtens ist es dabei, ob überhaupt nachprüfbare Befunde zu diesen Kriterien vorliegen. Diese müssen sich aus der Beschreibung im Gutachten ergeben. Auch hieran scheitern viele Gutachten, auch dies prüfen wir.
6. Schlüsse auf Beziehungsmerkmale und dyadische Beziehungen
Jenseits der bloßen Beschreibung des Verhaltens besteht das übergeordnete Ziel der Beobachtung von Interaktion darin, Schlüsse aus den beobachteten interaktiven Handlungen auf Beziehungsmerkmale und die grundlegende dyadische Beziehung zu ziehen9. (Amitai et al., 2006).
Dies erfordert ein fundiertes Verständnis der Psychologie und Interpretation als entscheidenden Schritt bei der Analyse von Interaktionssituation.
Im Fokus stehen hier verschiedene funktionale Aspekte der Interaktion zwischen Eltern und Kindern mit einer besonderen Bedeutung in der Entwicklungspsychologie.
Dazu zählen die Erfüllung der sinnlich-vitalen Bedürfnisse des Kindes sowie die Regulierung seiner Verhaltensweisen und die Förderung seiner Fähigkeit zur Mentalisierung – also dem Verständnis von mentalen Zuständen bei sich selbst und anderen Personen.
Ebenso wird auf die Förderung von Autonomie sowie auf die Entwicklung kognitiver und motorischer Fähigkeiten eingegangen – einschließlich exekutiver und perzeptiver Funktion des Kindes.
Des Weiterem werden auch die Entwicklung von selbstregulierenden Fähigkeiten untersucht, insbesondere in Bezug auf Impulskontrolle und Affektregulation. Weitere wichtige Themen der Beobachtung von Interaktion umschließen die Strukturierung und Absicherung der Interaktionssequenz sowie die Gewährleistung von Sicherheit durch die Schaffung eines herzlichen und geschützten emotional-affektiven Umfelds. Auch Maßnahmen zur Regulierung und zur Förderung selbstregulierender Handlungsmuster des Kindes sind bedeutsam.
Die Unterstützung und Ermutigung des Kindes hinsichtlich seiner Autonomie, Verbundenheit und Erholungsbedürfnisse sowie die Förderung des prozedural Lernens werden ebenfalls beobachtet.
Spezielle Kategorien von Interaktionen werden bewertet: Wer die Kommunikation initiiert und aufrecht erhält oder beendet und in welchem Modus dies geschieht sowie welche Frequenz und Intensität vorliegen. Auch die angemessene Entwicklung der Interaktionen wird bewertet. Letztere zielt darauf ab zu beurteilen inwieweit die Interaktion quantitativ (Unterforderung oder Überforderung des Kindes) und qualitativ angemessen gestaltet wurde.
Auch die Bindungsqualität wird interpretiert obwohl diese Kategorie in der Literatur nicht immer vollständig definiert ist im Kontext der Eltern-Kinder Beziehung.
Zudem zeigt sich in der Beziehung zwischen den Eltern auch gegenseitige Unterstützung und Kooperation (Co-Parenting), es treten Konflikte und Interferenzen auf sowie kommunikative Fehler und auch und gerade deren Behebung können beobachtet werden.
Die ausführliche Aufstellung der erkennbaren Themen und Kriterien verdeutlicht den Zweck der Interaktionsbeobachtung: Es sollen spezifsche Konzepte erfassen werden, die von Theorien geleitet sind.
Damit geht es über eine einfache Beschreibung des Verhaltens hinaus und ermöglicht eine diagnostische Auswertung der Beziehungsqualität und Förderung der Entwicklung.
Das bedeutet beispielsweise nicht nur zu beobachten, dass ein Kind lächelt, sodern dies im Zusammenhang mit Affektregulation oder Lebenskraft zu interpretieren.
7. Triangulation von Datenquellen
Ein qualitativ hochwertiges Gutachten stützt sich auf die Verwendung verschiedener Erhebungsverfahren, um die Ergebnisse auf möglichst vielen Daten zu basieren. Deshalb fordern auch die Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten mindestens zwei unterschiedliche (!) Quellen je Befund10.
Dazu gehören Explorationen, Verhaltensbeobachtungen, gegebenenfalls Hausbesuche, psychologische Testverfahren, Fragebögen und eine umfassende Aktenanalyse.
Diese doppelte Begründungspflicht erhöht die Robustheit und Glaubwürdigkeit der Befunde und gleicht die inhärenten Limitationen einzelner Methoden aus. Das Gutachten wird damit objektiver.
Transparenz, Nachvollziehbarkeit, Schlüssigkeit und Objektivität sind dabei essenziell. Die konsequente Anwendung der Triangulation stärkt die Validität des Gutachtens und macht es widerstandsfähiger gegenüber Anfechtungen. Die Einhaltung dieser Qualitätsstandards ist nicht nur eine Frage der wissenschaftlichen Sorgfalt, sondern auch der beruflichen und ethischen Verantwortung11.
8. Fazit und Empfehlungen
Die Interaktionsbeobachtung ist ein unverzichtbares diagnostisches Instrument in der familienrechtspsychologischen Begutachtung. Sie bietet einzigartige Einblicke in die direkte Familiendynamik und das tatsächliche Interaktionsverhalten, die durch andere Methoden allein nicht oder nur unzureichend gewonnen werden können. Ihre besondere Stärke liegt in der Erfassung nonverbaler Kommunikation und der Relevanz für die Begutachtung junger Kinder, deren verbale Ausdrucksmöglichkeiten begrenzt sind.
Gleichzeitig kann der / die Gutachter:in hierbei erheblich subjektiv bewerten, was oftmals nicht aufdeckbar ist, wenn keine Videographierung erfolgt.
Trotz der Vorteile ist die Interaktionsbeobachtung also mit Limitationen behaftet, insbesondere der künstlichen Situation und dem Beobachtereffekt bei Anwesenheit des Gutachters oder gar, wie wir es immer wieder erleben, wenn der Gutachter in die Interaktion eingreift. Diese Nachteile erfordern eine hochsystematische Durchführung und eine kritische Reflexion der Beobachtungsergebnisse, um die Validität der gewonnenen Daten zu maximieren. Daher sind Transparenz, Wissenschaftlichkeit und Nachprüfbarkeit essentiell, gerade bei einer Interaktionsbeobachtung.
Die Interaktionsbeobachtung dient als essenzieller Prüfstein für die Ergebnisse eines theoretischen Gutachtens. Sie liefert die empirische Basis zur Überprüfung der aufgestellten Hypothesen und zur Plausibilisierung der Schlussfolgerungen. Ein familienpsychologisches Gutachten ohne eine adäquate Interaktionsbeobachtung ist methodisch mangelhaft und kann in seiner Aussagekraft und rechtlichen Verwertbarkeit erheblich eingeschränkt sein. Die Qualität der Interaktionsbeobachtung hat somit direkte Auswirkungen auf die Integrität und den Einfluss des gesamten Gutachtens im gerichtlichen Verfahren.
Ihr sollte daher beim Prüfen eines familienpsychologischen Gutachtens auf Anfechtbarkeit erhebliches Gewicht eingeräumt werden.
Fußnoten
- Psychologische Begutachtung im Auftrag von Familiengerichten – BÖP, https://www.boep.or.at/download/5564583e64613565982a0000/B_p_PsySachverst.pdf ↩︎
- Psychologische Begutachtung im Auftrag von Familiengerichten, aaO ↩︎
- vgl. insoweit die Heidelberger Marschak-Interaktionsmethode (H-MIM) ↩︎
- Jacobs, Interaktionsbeobachtung von Eltern und Kind
Methoden – Indikation – Anwendung. Ein Praxisbuch, 3. Auflage 2022 ↩︎ - Jacobs aaO ↩︎
- Plattner, Erziehungsfähigkeit kranker Eltern richtig einschätzen und fördern, 3. Auflage 2024 ↩︎
- Langhans, https://familienrecht.activinews.tv/gutachten-keine-erstellung-durch-hilfskraft/, mit weiteren Nachweisen ↩︎
- Jacobs aaO ↩︎
- Amiri et al 2006 ↩︎
- Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht, 2. Auflage 2019 ↩︎
- Berufsethische Richtlinien DGPs/BDP ↩︎
Referenzen und Literatur
- www.nomos-elibrary.de, Zugriff am Juni 2, 2025, https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/2365-1083-2015-1-46.pdf?download_full_pdf=1
- www.nomos-elibrary.de, Zugriff am Juni 2, 2025, https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/2365-1083-2015-1-46.pdf?download_full_pdf=1#:~:text=Mithilfe%20der%20Interaktionsbeobachtung%20soll%20nicht,B.
- Familienpsychologische Gutachten – Probleme und Fragen – anwalt-kindschaftsrecht.de, Zugriff am Juni 2, 2025, https://www.anwalt-kindschaftsrecht.de/familienpsychologische-gutachten-probleme-und-fragen/
- Sorgerecht – Psychologische Praxis, Zugriff am Juni 2, 2025, https://die-psychologischepraxis.de/gutachten/sorgerecht/
- Psychologische Begutachtung im Auftrag von Familiengerichten – BÖP, Zugriff am Juni 2, 2025, https://www.boep.or.at/download/5564583e64613565982a0000/B_p_PsySachverst.pdf
- Familienpsychologische Gutachten – MS Rechtspsychologie, Zugriff am Juni 2, 2025, https://rechtspsychologie-ms.de/familienpsychologische-gutachten
- Familienrechtspsychologisches Gutachten – Wikipedia, Zugriff am Juni 2, 2025, https://de.wikipedia.org/wiki/Familienrechtspsychologisches_Gutachten
- Das familienpsychologische Gutachten (2) Gespräch mit dem Kind …, Zugriff am Juni 2, 2025, https://werdewiederstark.de/das-familienpsychologische-gutachten-2-gespraech-mit-dem-kind/
- Erziehungsfähigkeit – Psychologische Praxis, Zugriff am Juni 2, 2025, https://die-psychologischepraxis.de/gutachten/erziehungsfaehigkeit/
- Das Familiengutachten zum Sorgerecht – Kanzlei Hasselbach, Zugriff am Juni 2, 2025, https://www.kanzlei-hasselbach.de/blog/familiengutachten-sorgerecht/
- Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht – Deutscher Familiengerichtstag, Zugriff am Juni 2, 2025, https://www.dfgt.de/resources/Mindestanforderungen%20an%20die%20Qualitaet%20von%20Sachverstaendigengutachten%20im%20Kindschaftsrecht%20(2.%20Auflage).pdf
- Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht – beim Deutschen Familiengerichtstag e.V., Zugriff am Juni 2, 2025, https://www.dfgt.de/resources/Mindestanforderungen-final.pdf
- Langhans, http://www.gutachten-anfechten.de, Zugriff am Juni 2, 2025, https://gutachten-anfechten.de/wp-content/uploads/2025/03/Fehler-in-Familiengutachten-aufdecken_DeepReseachAI.pdf
- Langhans, Familienpsychologische Gutachten anfechten – Familienrecht by Michael Langhans, Zugriff am Juni 2, 2025, https://familienrecht.activinews.tv/familienpsychologische-gutachten-anfechten/
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- Richtlinie für die Erstellung von klinisch-psychologischen und gesundheitspsychologischen Befunden und Gutachten – Sozialministerium, Zugriff am Juni 2, 2025, https://www.sozialministerium.gv.at/dam/jcr:c429371b-24ab-4788-a98f-a2dbe442e611/Richtlinie%20f%C3%BCr%20die%20Erstellung%20von%20klinisch-%20und%20gesundheitspsychologischen%20Sachverst%C3%A4ndigengutachten%20im%20Bereich%20des%20Familienrechts.pdf
- Für Eltern / GWG Königstein, Zugriff am Juni 2, 2025, https://www.rechtspsychologie-koenigstein.de/fuer-eltern/
- Coding Dyadic Behavior in Caregiver–Child Interaction from a Clinical Psychology Perspective: How Should Multiple Instruments and Outcomes Be Dealt with? – PMC, Zugriff am Juni 2, 2025, https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10670483/
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- QUALITÄTSSTANDARDS FÜR PSYCHOLOGISCHE GUTACHTEN – Deutsche Gesellschaft für Psychologie, Zugriff am Juni 2, 2025, https://www.dgps.de/fileadmin/user_upload/PDF/Diagnostik-_und_Testkuratorium/DTK_2017_Gutachten_Standards.pdf
- Heidelberger Marschak-Interaktionsmethode (H-MIM), https://www.schulte-hoetzel.de/seite/516750/heidelberger-marschak-interaktionsmethode-h-mim.html
- Jacobs, Interaktionsbeobachtung von Eltern und Kind
Methoden – Indikation – Anwendung. Ein Praxisbuch, 3. Auflage 2022, https://shop.kohlhammer.de/interaktionsbeobachtung-von-eltern-und-kind-41448.html#147=20 - Plattner, Erziehungsfähigkeit kranker Eltern richtig einschätzen und fördern, 3. Auflage 2024, https://www.reinhardt-verlag.de/55821_plattner_erziehungsfaehigkeit_psychisch_kranker_eltern_richtig_einschaetzen_und_foerdern/
Eine Antwort auf „Interaktionsbeobachtung in familienpsychologischen Gutachten prüfen“
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